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Methanolanlage in Bassersdorf
@Hybridbox
Methanol

Stoff der Träume und Treibstoff der Energiewende

Methanol ist der chemische Rohstoff, der am häufigsten per Schiff über die Meere verteilt wird. Er spielt in der Chemie seit über 100 Jahren eine Hauptrolle, in Zukunft soll das ebenso für die Energiewende gelten.

Bei Experten steht E-Methanol derzeit hoch im Kurs. Methanol ist ein natürlicher Alkohol und kann als erneuerbarer Energieträger die Wende voranbringen.

Methanol kommt in Äpfeln, Bananen oder Sellerie vor. Dabei sind jedoch die alkoholischen Mengen so gering, dass er in der Natur kaum eine Rolle spielt. Ganz anders sieht es in der chemischen Industrie aus. Hier gehört die Verbindung, die auch in der Erdatmosphäre vorkommt, weltweit zu den meistproduzierten organischen Chemikalien. Sie dient als unverzichtbarer Grundstoff für die Weiterverarbeitung in der Lebensmittelindustrie, Arzneimittelproduktion oder der Kunststoff- und Elektronikproduktion.

Versteckter Champion der Verkehrs- und Energiewende?

Methanol ist weltweit verfügbar, und die Industrie hat über 100 Jahre Erfahrung. Im Jahr 2021 wurde dann eine methanolbetriebene Brennstoffzelle auf den Markt gebracht.

Wird Methanol mit erneuerbarer Energie gewonnen, ist der Brennstoff CO₂-neutral. Nicht wenige Fachleute sehen deshalb in Methanol, das Älteren als Holzgeist bekannt ist, den heissesten Anwärter zum Ersatz für Diesel oder Benzin – auch wenn er in der Öffentlichkeit noch wenig bekannt ist. Spätestens in wenigen Jahren soll aber der Stoff eine sehr gewichtige Rolle spielen. Ob das jedoch mehr als eine Träumerei bleibt, hängt massgeblich von der Art und Weise ab, wie er produziert wird. Dabei braucht seine Herstellung Energie, viel Energie – für einen Liter Methanol etwa 12 Kilowattstunden.

Schweizer Pionierrolle in der Gegenwart

Bereits in der Gegenwart angekommen ist Methanol in der Schifffahrt. So liefert der Winterthurer Motorenhersteller WinGD (hervorgegangen aus den ehemaligen Sulzer Dieselmotorwerken) in diesem Jahr die ersten Schiffsmotoren aus, die in der Kombination Diesel-Methanol betrieben werden. Insgesamt sechs verschiedene Motoren sind geplant, der stärkste wird knapp 110'000 PS Leistung erbringen. 

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Einer der neuen Methanol-Container-Frachter der dänischen Reederei Maersk. (Bild: Maersk)

Das Potenzial ist gross, so hat Maersk als zweitgrösste R eederei der Welt angekündigt, auf Methanol umzustellen – die Meeresriesen machen sich auf den Weg in eine grüne Zukunft. Deutlich weniger gross, dafür bereits am Ziel, ist die erste Methanol-Heizung der Schweiz. Sie steht rund 50 Kilometer von Winterthur entfernt im zürcherischen Bassersdorf. Sie heizt zukünftig in zwei Wohnblöcken 24 Wohnungen mit Methanol. Geplant und gebaut hat die Heizung das Unternehmen Hybridbox aus dem thurgauischen Eschlikon, das die gleichnamigen Produkte produziert. Betrieben wird die Heizung mit Methanol, das mittels erneuerbarer Energien gewonnen wird. Eine weitere Pioniertat in der Schweiz.

Umwelt Arena

Erlebnis-Ausstellung «Nachhaltiges Bauen»

Die Stiftung Umwelt Arena hat – als Kompetenzzentrum für nachhaltiges Bauen - u.a. zum Ziel, die Bevölkerung über Innovationen im Baubereich zu informieren. Mit der neu realisierten Erlebnis-Ausstellung «Nachhaltiges Bauen» setzt sie dieses Anliegen um: Individualbesucher erleben einen einführenden Film und können an der interaktiven Touchscreen-Infostation konkrete Technologiekombinationen auch mit Methanol für ihr eigenes Haus zusammenstellen – inklusive Ausdruck zum Mitnehmen. Gruppen erhalten im Rahmen der von der Umwelt Arena angebotenen Themenführungen zusätzlich vertiefte Hintergrundinformationen zum Thema. Anfrage über fuehrungen@umweltarena.ch oder über 056 418 13 13

Herstellung als Problem, Speicherung als Potenzial

Auch wenn Methanol in kleinen Mengen erneuerbar hergestellt wird: Die grosse Herausforderung der Gegenwart ist seine klimaneutrale Herstellung. Dazu braucht es viel (überschüssigen) Strom aus Solar- oder Windanlagen, um aus Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff das Methanol zu gewinnen. Im Gegensatz zum Wasserstoff, der ebenfalls als zukünftiger Träger der erneuerbaren Energie gilt, hat Methanol zwei Vorteile. Da es bei Raumtemperatur flüssig ist, kann es mit wenig Aufwand gelagert und transportiert werden. Das ist ein wesentlicher Unterschied, zudem hat es die doppelte Energiedichte pro Liter.

Wo der klimaneutrale Alkohol dereinst hergestellt wird, ist jedoch noch völlig offen. In Europa haben im Moment die Dänen die Nase vorn. Gerade in Betrieb genommen wurde in Kassø eine Anlage, die 32 000 Tonnen E-Methanol (die Abkürzung für nachhaltiges Methanol) produziert. Einer der Abnehmer: die Reederei Maersk. Mit an Bord ist die Winterthurer Sulzer Chemtech, der erneuerbare Strom kommt aus einem nahegelegenen Windpark. Die Entwicklung darf gespannt verfolgt werden, denn im Sommer 2024 ist ein ähnliches Projekt in Südschweden gescheitert.

Politische Rahmenbedingungen gefordert

Die Produktion von E-Methanol ist langsam in der Schweizer Bundespolitik angekommen. So beschäftigen sich zwei nationalrätliche Motionen mit dem alkoholischen Alleskönner, dabei geht es um sichere Anlagen oder steuerliche Entlastungen. Von einer grossen Produktion ist die Schweiz jedoch noch weit entfernt, auch wenn der Energiekonzern Axpo sein Reserve-Gaskraftwerk dereinst mit Methanol betreiben will.

Seit dem Jahr 2022 ist Methanol ein Forschungsschwerpunkt des Bundes. Bereits drei Jahre früher hat allerdings die ETH mit einem Energiekonzern ein neuartiges Verfahren zur Produktion erfolgreich getestet. Während die Politik auf Resultate aus der Forschung wartet, sind die Chamer Silent-Power oder die Neuhauser Methanology schon heute auf dem Markt – letztere sollen dabei ein grosses Funding für Start-ups erhalten haben. Geldgeber: der Investmentfonds von Maersk. Ob der weltweite Hoffnungsträger jedoch die Schweizer Politik rechtzeitig aus dem energiepolitischen Schlaf holt? Wer weiss, vielleicht stossen in Bern auch Alleskönner an ihre Grenzen.